| Erfahrungsbericht von Isabel
cUTI – meine Geschichte mit chronischer Blasenentzündung aka. dem Blasenteufel.
Nach Jahrzehnten mit dieser grauenhaften und Lebensqualität erstickenden Krankheit freue ich mich wirklich sehr, dass ich hier einen positiven Heilungs- und Hoffnungsbericht über meine persönlichen Erfahrungen mit chronischer Blasenentzündung teilen kann. Vielleicht vorweg – ich bin seit nunmehr 4 Jahren symptomfrei. Das Wort „geheilt“ traue ich mich nicht zu verwenden, dazu bin ich zu sehr Realist und ein vom Blasenteufel gebranntes Kind.
Wenn ich zurückdenke, hatte ich schon als kleines Kind öfter Beschwerden mit der Blase. Damals konnte ich das nicht einordnen und habe es meiner Mama mit „ein Wissi [= Pipi] was immer kommt“ beschrieben, immer wenn ich auf der Toilette saß und nicht das Gefühl hatte, ich wäre jetzt schon fertig und könnte wieder runter - dem starken Harndrang trotz bereits leerer Blase wegen. Als ich älter wurde, ist mir aufgefallen, dass fast alle Frauen in der Familie auf Seiten meiner Mutter irgendwann einmal oder immernoch Beschwerden mit Blasenentzündungen und später auch Inkontinenz hatten oder haben. Als Verfechter von „alternativen“ Heilmethoden war ein Familienmitglied sehr bemüht, meine Beschwerden durch Heilpraktiker, Homöopathie, Eigenblut und Co. behandeln zu lassen. Für alle, bei denen der Placebo-Effekt funktioniert: good for you. Ich bin absolut nicht von diesem Ansatz überzeugt und empfinde ihn oftmals als fahrlässig und teils unverantwortlich.
Später dann gab es für mich einen scheinbar relativ klaren Zusammenhang zwischen Sex und Blasenentzündung. Ganz egal mit wem, wie gut vorbereitet und aufgewärmt, ob ich vorher und nachher auf Toilette war, wieviel Wasser ich getrunken hatte (…) – ich konnte quasi die Uhr danach stellen, dass ich nach 24 bis 48 Stunden post-coitus wieder leiden werde wie ein Hund. Das hat mich zunehmend blockiert, mir eine ordentliche Paranoia gezaubert, und sich natürlich auch auf romantische Beziehungen ausgewirkt. Später hat sogar nur ein bisschen Sport (z.B. Joggen oder Fahrradfahren) schon den Blasenteufel heraufbeschworen, vom Baden in Pools ganz zu schweigen. Es hat sich gewandelt von ab und an Blasenentzündung haben, immer nur kurzzeit Antibiotika verschrieben bekommen (Spoileralert: großer Fehler!) zu jeden Monat mindestens eine Entzündung, und/oder sobald die Antibiotika zu Ende waren wieder Symptome. Das Ganze quasi in Dauerschleife.
"Ich hatte permanent starken Harndrang und Schmerzen bis zum Erbrechen, saß teilweise in der heißen Badewanne, nur um ein bisschen Linderung durch brüh-warmes Wasser und das „es einfach laufen lassen“ zu haben."
Während einer akuten Blasenentzündung (oder einem „Flare“/Aufflammen wie ich heute weiß) waren die Symptome immer heftig. Ich hatte unglaubliche Schmerzen, nicht nur beim Wasserlassen sondern permanent, die kaum in den Griff zu kriegen waren – auch nicht mit starken Schmerzmitteln. Der Klassiker: Es hat meistens Nachts oder am Sonn- und Feiertag angefangen. Als ich noch keine Notfallration Antibiotika zuhause hatte, war das die Hölle. Als ich gemerkt habe, dass es wieder los geht, ist quasi ein automatisches Programm abgelaufen. Ich habe eine Wärmflasche und mein Kirschkernkissen heiß gemacht, mir Liter-weise Blasentee und Wasser ins Bad gestellt und getrunken, mir die Packung Schmerzmittel gekrallt, Kaisernatron oder Cystitis Relief Pulver runtergewürgt, und mich dann zwangsläufig erstmal im Bad häuslich für mehrere Stunden eingerichtet. Ich hatte permanent starken Harndrang und Schmerzen bis zum Erbrechen, saß teilweise in der heißen Badewanne, nur um ein bisschen Linderung durch brüh-warmes Wasser und das „es einfach laufen lassen“ zu haben. Ich hatte zeitweise leichte Verbrennungen von den Hitzeapplikationen im Genitalbereich, weil ich versucht habe, einfach nur den Schmerz zu lindern oder zu übertünchen. Falls Antibiotika zur Hand waren, hab ich sie eingeschmissen und die nächsten Stunden im Bad abgewartet und gelitten, bis sich im Idealfall eine Verbesserung eingestellt hat. Selbsterklärend hat das Ganze sehr unsanft in meine Ausbildung, mein Studium, meine Arbeit, sämtliche Beziehungen und Freizeitaktivitäten rein gekrätscht.
Von Seiten der Ärzte habe ich mich häufig unverstanden und nicht ernst genommen gefühlt, weil die starken Symptome nicht zu einem teilweise unauffälligen oder nur schwach positiven Urin-Stäbchen-Test gepasst haben. In den Urinkulturen, die angelegt wurden, ist nicht immer etwas gewachsen.
Ich habe über die Jahre hinweg unzählige Hausärzte und Urologen in Deutschland, England, und Schottland (ich lebe seit 2011 in UK) aufgesucht. Ich habe drei Blasenspiegelungen hinter mir (keine Auffälligkeiten, sehr unangenehm), mir wurde die Harnröhre ambulant geweitet (extrem schmerzhaft und im Nachhinein als nicht notwendig befunden worden), endlos viele Ultraschalluntersuchungen von Blase, Harnleitern, Nieren etc. blieben ohne nennenswerte Befunde (leicht erweitertes Nierenbecken rechts, um genau zu sein). Ich habe sämtliche Antibiotika durch und dank der meist sehr kurzen (falschen!) Behandlungsansätze viele Resistenzen entwickelt. Die „Blasenimpfung“ mit Urovaxom hat bei mir nichts bewirkt. Eine Sex-Pause von 6 Monaten („damit sich die Blasenwand einmal komplett und ungestört erneuern kann“) und die Umstellung auf eine basische Ernährung, sowie der Verzicht auf Koffein haben nichts verändert. In den Jahren um 2011/2012 habe ich meine Ernährung nochmal radikal umgestellt. Ich trinke seit über 10 Jahren keinen Alkohol mehr, ernähre mich zuckerfrei und geziehlt darmfreundlich, eher low carb; damit geht es mir sehr gut. Von Seiten der Ärzte habe ich mich häufig unverstanden und nicht ernst genommen gefühlt, weil die starken Symptome nicht zu einem teilweise unauffälligen oder nur schwach positiven Urin-Stäbchen-Test gepasst haben. In den Urinkulturen, die angelegt wurden, ist nicht immer etwas gewachsen. Es gab allerdings auch sehr auffällige Urinbefunde, mit jeder Menge Blut, sonstigen Partikeln und vielen Erregern - primär E.coli. Ich habe wie eine Irre regelmäßig den Urin pH-Wert gemessen („je basischer, desto besser, weil sich die Bakterien nur im saueren Milieu wohlfühlen“), aber auch das hat nichts bewirkt.
"All diese Blasenentzündungen, die jeden Monat aufkamen waren also in Wirklichkeit ein und die selbe Entzündung, die immer wieder getriggert wurde oder aufgeflammt ist."
Im Corona Jahr 2020 war ich mitten in meiner Promotion, die ich zwischenzeitlich krankheitsbedingt auf Eis legen musste. Durch eine Facebook Gruppe (ich war wirklich verzweifelt!) bin ich auf die Spezialklinik von (damals noch) Prof. James Malone-Lee in der Harley Street in London gestoßen. Ich war dort 2020/2021 bei Dr. Swamy in Behandlung und für mich hat sich dadurch alles verändert. Klingt wie eine kitschige Influencer-Werbung, ist es aber nicht. Ich musste die Behandlung und Medikamente komplett selbst bezahlen. Mir wurde erklärt, dass ich eine chronische, eingelagerte Blasenentzündung habe. All diese Blasenentzündungen, die jeden Monat aufkamen waren also in Wirklichkeit ein und die selbe Entzündung, die immer wieder getriggert wurde oder aufgeflammt ist. Die Bakterien sind nicht nur im Urin und werden dann während der Kurzzeit-Behandlung und/oder nur durch viel Trinken ausgeschwemmt (auch nicht mit Cranberry Saft). Sie lagern sich in der Blasenwand/-schleimhaut ein und verursachen so eine permanente oder auch immer wieder aufflammende Symptomatik. Ich wurde auf Langzeitantibiotika gesetzt (Cefalexin 4mg/Tag und Hiprex = Methenamine hippurate 2g/Tag). Zusätzlich habe ich immer zwei Stunden nach der Antibiotika-Einnahme mit Probiotika gegengesteuert, so dass sich meine ohnehin schon angeschlagene Darmflora nicht komplett verabschiedet. Um Pilzinfektionen im Scheidenmilieu zu vermeiden bzw. zu bekämpfen, habe ich Borsäure (medizinischer Grad!) Vaginal-Kapseln (akut 1x abends für 12 Tage, vorbeugend 2x/Woche abends) verwendet. Die kann man sich recht leicht selbst basteln, das spart jede Menge Geld. Nach etwa 3 Monaten mit Antibiotika war ich symptomfrei, ich habe dann noch 2 weitere Tests und Termine in London wahrgenommen und das Antibiotikum zur Sicherheit weiter genommen, bis meine Counts wiederholt unauffällig waren. Nach 9 Monaten war meine Behandlung quasi erfolgreich abgeschlossen und das Antibiotikum wurde abgesetzt. Ich habe eine Notfallantibiotika-Ration bekommen und hatte im Folgejahr 2 leichte Blaseninfektionen. Seitdem bin ich beschwerdefrei. Mir wurde damals in der Harley Street gesagt, dass ich eine vergleichsweise kurze Behandlungsdauer hatte und wohl auch Glück, dass es bei mir so schnell und gut angesprochen hat. Bei vielen dauert es etwas länger.
Was ich aktuell unternehme, um den Blasenteufel und meine Paranoia auf Distanz zu halten? Ich trinke viel stilles Wasser und Kräutertees (3+ Liter am Tag), wenig Kohlensäurehaltige Getränke und keinen Alkohol, ernähre mich immernoch zuckerfrei, braue Kombucha und kümmere mich um eine gesunde Darmflora (das A und O des Immunsystems!). Ich achte sehr auf Körperhygiene (bei mir und meinem Partner) verwende keine parfümierten Duschgels oder Spezialseifen im Intimbereich, trage Baumwollunterwäsche, während der Periode keine Tampons sondern nur Baumwoll-Binden (auch die Wiederverwendbaren) und nachts dann meist Periodenunterwäsche. Beim Sex trinke ich vorher viel, verwende immer Gleitgel (sensitiv!) und gehe danach auf die Toilette. Ich nehme 2-4g Vitamin C am Tag, 1x Hiprex am Abend, und wechsele immer sofort die nassen Badesachen, nachdem ich aus dem Wasser komme. Auch der Pool is jetzt kein Problem mehr. Zudem kann ich die Deumavan Intim-Salbe sehr empfehlen als alltägliche Schutzsalbe für „unten rum“. Ich bin heute während und nach dem Sex beschwerdefrei und daher auch vorher und währenddessen wieder wesentlich entspannter, trinke genüsslich Latte Macchiatos, schwarzen Tee, alhoholfreies Bier, und Coke Zero, gehe joggen und kann auch wieder gemütlich Fahrradfahren (mit einem weichen Sattel und super-sexy gepolsterten Bike-Shorts). Allerdings habe ich das Grundvertrauen in den eigenen Körper verloren. Daran arbeite ich noch.
Das Buch von Prof James Malone-Lee („Cystitis Unmasked“) kann ich sehr empfehlen, auch die diversen wissenschaftlichen Publikationen über chronic, embedded UTIs. Das sollte auch jeder Hausarzt und Urologe auf dem Schirm haben, weil die chronischen Blasenentzündungen schlichtweg meist nicht richtig erkannt und in der Regel komplett falsch oder garnicht (!) behandelt werden. Auch die Facebook Gruppen „Embedded/Chronic UTI Support Group“, „Chronische Blaseninfektion Deutschland“ und “Behandlung von eingebetteter Blaseninfektion in London” sind einen Beitritt wert. Viele davon haben auch Dokumente bereitgestellt, die Zusatzinformationen und weiterführende Links liefern. Mir hat die Gruppendynamik und das Gefühl des „nicht alleinseins“ sehr geholfen. Auch wenn ich es immernoch erschreckend finde, wie unglaublich viele Menschen mit dieser Krankheit zu kämpfen haben, sollte das keiner alleine durchstehen müssen. An alle, die noch mitten drin stecken in der absoluten Hölle mit dem Blasenteufel: Ich wünsche euch ganz viel Kraft um weiter zu kämpfen und bei den Medizinern für euch einzustehen und hoffe, dass auch ihr einen Zugang findet zu einer Therapie, die anspricht und dauerhaft Linderung und im besten Fall eine Heilung mit sich bringt.